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Kolumne
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Lernen am Modell
Seit ein paar Tagen decken Mia (2) und Berti (3 ½) Ja, spinnt Ihr? Was soll das? Das ist Nahrung!!!
unseren Abendbrottisch. Mit Hingabe wandert Mia Das ist wertvoll! Damit schmeißt man nicht durch
zwischen der Küchenzeile und dem Esstisch hin die Gegend! Und diese Art Essen mampft man
und her und bugsiert hoch konzentriert Tischtuch, in unserem Kulturkreis auch nicht mit den Hän-
Porzellanteller für Porzellanteller, Tasse für Tasse, den! Ist es zu viel verlangt, euren Kindern diesen
Besteckteil für Besteckteil, Brotkorb, Aufstriche, Unterschied zu Schlickspielchen beizubringen?
Käse, eine Kerze und zur Krönung auch noch die Und wie soll das überhaupt weitergehen? Schlür-
halbvolle Salatschüssel auf die Tischplatte. Das fen, Schmatzen, Furzen beim Essen erlaubt,
klappt überraschend gut. Oben an der Platte wegen der vollendeten Sinnlichkeit, oder wie?
übernimmt Berti: Auf einem Stuhl stehend ordnet Besteck adieu? Das Omelette im Restaurant auf
er alle Dinge hoch konzentriert so an, dass wir die Hand und zum Spaß die Leute am Nebentisch
anschließend richtig fein zusammen Abendbrot mit Rosenkohlröschen abwerfen? Bei der Einschu-
essen können. Ich würde zwar nicht behaupten lung immer noch mit den Händen oder mit dem
wollen, dass die Ordnung auf dem Tisch dabei so Löffel essen, weil das sinnliche Vergnügen mit
aussieht, als wenn ich ihn eingedeckt hätte, aber Messer und Gabel nicht groß genug war? Gnade!
es ist erkennbar, wo es hingeht. Und darum gehtʼs Zum Schluss noch ein Satz an Lukasʼ Mama aus
doch: Esskultur für Anfänger. Lernen am Modell! der Mittwochs-Schwimmgruppe: Liebe Frau G., ich
Und nun: Keine Ausreden mehr! Ich werde mei- habe gehört, wie Sie gegenüber Frau H. unsere
ne Empörung nicht länger in mich hineinfressen, festen Essenszeiten und den kleinen Tischspruch,
auch wenn ich mir damit den Groll einiger Mütter der bei uns einfach zu den Mahlzeiten dazu gehört,
einhandeln sollte. Sollen sie mit Gemüsesticks lächerlich gemacht haben! Ihr Lukas liebt den
auf mich zeigen, sollen sie mich mit Hirsebäll- Spruch übrigens. Er liebt es, beim Eindecken zu
chen bombardieren und mit Naturjoghurt be- helfen, und Berti hat ihm neulich auch gezeigt, wie
werfen … Ich werde diese Kolumne schreiben, man Essbares mit Löffel, Gabel und Schieber sicher
denn: Wenn das, was neuerdings in der Kinder- in den Mund befördert, statt dilettantisch in den
erziehung Mode ist, zum Standard wird, kön- Sachen herumzumatschen. Sie müssen sich jetzt
nen wir in Gesellschaft demnächst nur noch in also nicht mehr mit ihm im Restaurant schämen ...
Ganzkörperkondome eingeschweißt speisen.
Was im Schlick von Dangast, beim Wühlen in Und wenn ich schon mal dabei bin: Wieso kommt
Fingerfarben, Knete und in der nassen Sand- in Mias Kindergruppe das Mittagessen neuerdings
kiste selbstredend ein genüsslicher Riesen- eigentlich hingeklatscht in einem schäbigen alten
spaß ist, hält neuerdings Einzug in deutsche Kochpott auf den Tisch? Das ist total daneben!
Esszimmer: Matsch-, Patsch-, Glibsch- und Gehört Modelllernen nicht mehr zum pädagogi-
Wurfspiele der ganz Kleinen mit Brei, Möh- schen Basiswissen? Habe ich etwas verpasst?
renmus, Spinat & Co sind in einer bestimmten So! Puh! Endlich ist es raus! Großartig! … –
Elternszene gerade total angesagt und wer- Sie dürfen jetzt mit Joghurt werfen …
den „sinnliches Essenlernen“ genannt …
Eure Tina
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