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Kolumne
Sie wollen sich im Beruf
selbst verwirklichen?
Keine gute Idee!
Eine Kolumne
von Udo Brandes
or einiger Zeit landete ich im Rahmen einer fragt, worauf genau sich die Leidenschaft für Men-
Recherche auf einer Website, auf der Folgendes schen bezieht. Aber Spaß beiseite.
Vzu lesen war: „Folien sind unsere Leidenschaft“.
Ich dachte im allerersten Moment: Oh, bist du da auf Offenbar gibt es im Wirtschaftsleben den Konsens,
einer dubiosen Seite gelandet, wo Leute sich über ih- dass Mitarbeiter nicht einfach professionell ihren
ren sexuellen Fetischismus austauschen? Aber meine Job erledigen dürfen. Nein, sie müssen ihren Job mit
Bedenken waren unbegründet. Ich war auf der Web- Leidenschaft ausführen. Die Unternehmen wollen
site eines großen und seriösen mittelständischen also Mitarbeiter, die morgens schon eine Stunde,
Unternehmens gelandet. Dieses Unternehmen stellte bevor ihr Wecker klingelt, aufwachen. Weil sie es gar
Verpackungsfolien her. Zum Beispiel für Bonbons, nicht mehr abwarten können, endlich wieder ihrer
Käse oder Wurst. Deshalb teilten sie dem Besucher Leidenschaft im Büro, der Produktionshalle oder bei
der Website mit: „Folien sind unsere Leidenschaft“. der Müllabfuhr nachzugehen.
Dieses Unternehmen ist beileibe nicht das einzige, in In Karriereberatern findet man ein ähnliches Phäno-
dem man offenbar meint, in Zusammenhang mit dem men. Man kann fast überall lesen, dass es für eine
eigenen Produkt bzw. der dort stattfindenden Arbeit erfolgreiche Karriere unablässlich ist, eine Arbeit
von Leidenschaft befallen sein zu müssen. Ich habe zu finden, für die man brennt. Der man mit Begeis-
mal versuchshalber die Begriffe „Leidenschaft“ und terung und Leidenschaft nachgeht. Deshalb sei es
„Unternehmen“ gegoogelt. Hier einige der Ergebnis- wichtig, dass man sein ureigenes „Warum“ heraus-
se: Die Computerwoche überschreibt einen Artikel findet. Also was einen antreibt, motiviert. Anders
über „Erfolgreiche Unternehmen“ mit der Schlagzeile ausgedrückt: Man muss seine „Mission“ herausfinden.
„Führung braucht Leidenschaft“. Warum man auf der Welt ist. Was © iStock.com/phototechno
die eigene Berufung in dieser Welt
Auf einer Website für „Human Ressources Manager“ ist. Welchen Beitrag man zum
heißt es: „Leidenschaft im Job. Vergnügen macht sich Gelingen der Welt leisten will.
bezahlt“. Und im Vorspann desselben Artikels steht:
„Müssen wir für unsere Jobs brennen? Definitiv, sagt Es reicht also keineswegs
unser Gastautor. Darum sollten Unternehmen bei der aus, wenn Sie zum
Personalauswahl Leidenschaft als Kriterium beachten.“ Beispiel als
Reinigungskraft
Ein IT-Unternehmen schreibt: „Leidenschaft ist unser im Kranken-
Antrieb“. In der Unterzeile heißt es: „Unsere Leiden- haus die Idee
schaft für Innovation, Technologie und Menschen haben, dass
lässt den Funken überspringen“. Ich habe mich ge- Sie einen
© iStock.com/ambassador806
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