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Verbraucher Aktuell










                  Die Corona-Pandemie –





                   Eine Rache der Natur?                                                                             © iStock.com/CROCOTHERY








                                            rung natürlicher Lebensräume, die     Wäldern führen zu einem Verlust
                       Von Dr. rer. nat.    Abnahme der Biodiversität ... alles   der Artenvielfalt und verändern die
                       Martine Berger,      Charakteristika unseres Anthropo-     Zusammensetzung der Populatio-
                       Institute for Che-   zäns (Walters et al., 2016).          nen in dem Ökosystem. Das Ökosys-
                       mistry and Biology   Forscherinnen und Forscher warnen     tem gerät aus dem Gleichgewicht.
                       of the Marine En-    vor einem Zeitalter der Epidemien,    Weniger Artenvielfalt bedeutet
                       vironment (ICBM),    was in einem kontinuierlichen         mehr Tiere einer Art im selben
                       University of        Anstieg der Infektionskrankheiten     Lebensraum, womit sich wieder-
                       Oldenburg            deutlich wird (Smith et al., 2014).   um Infektionskrankheiten besser
                                            „Wenn wir weiterhin die Tierwelt      verbreiten können. Dieser Lebens-
            ie weltberühmte Biologin        ausbeuten und unsere Ökosysteme       raum verarmt und wird zunehmend
            und Primatenforscherin Jane     zerstören, können wir in den kom-     von wenigen anspruchsloseren und
      DGoodall ist überzeugt davon,         menden Jahren einen stetigen Strom    konkurrenzfähigeren Arten (Genera-
       dass wir Menschen die Corona-Pan-    dieser Krankheiten erwarten.“ (Inger   listen) dominiert. Wenn Ökosysteme
       demie durch unsere Missachtung der   Andersen, UNEP-Chefin)                durch menschliche Eingriffe aus
       Natur und Respektlosigkeit gegen-                                          dem Gleichgewicht geraten oder gar
       über Tieren selbst verursacht haben.   Zerstörung natürlicher              zerstört werden, wird die Über-
       Denn funktionierende Ökosysteme                                            tragung von Krankheiten auf den
       sind eine der zentralen Grundlagen   Lebensräume bringt                    Menschen wahrscheinlicher. Wenn
       menschlicher Existenz – insbeson-    Menschen und Tiere                    Wildtiere ihren natürlichen Lebens-
       dere der menschlichen Gesundheit.                                          raum verlieren, weichen sie auf von
                                            näher zusammen                        Menschen besiedelte Flächen aus.
       Dass Viren von Tieren auf den                                              Überall da, wo Menschen und Tiere
       Menschen überspringen können         Die Zerstörung und Veränderung        auf engstem Raum zusammenkom-
       und Epidemien oder sogar Pande-      natürlicher und artenreicher          men, steigt das Risiko einer Krank-
       mien verursachen können, ist uns     Lebensräume führt auch immer          heitsübertragung. Ein Beispiel ist
       bereits bekannt. Circa 60 Prozent    zu einem Verlust vieler wichti-       die Ebola-Epidemie von 2014/2015,
       der menschlichen Infektionserreger   ger Pflanzen- und Tierarten im        die durch die Abholzung des Re-
       stammen ursprünglich aus dem         jeweiligen Ökosystem. Intensive       genwalds in Guinea wahrscheinlich
       Tierreich (Grace et al., 2012). Das   Landnutzung, die Verbreitung von     wurde (Bausch & Schwarz, 2014).
       Humane Immundefizienz-Virus (HIV)    Monokulturen oder Rodungen von
       zum Beispiel stammt von Schimpan-
       sen und Gorillas, aber auch Ebola
       und SARS sind Beispiele für solche
       Zoonosen.

       Der Mensch hat den Planeten
       maßgeblich verändert, sodass ge-
       fährliche Krankheitserreger heute
       so leicht wie nie zu Katastrophen
       führen können (Hotez, 2016). Hierzu
       zählen die rasant wachsende Welt-
       bevölkerung, das Städtewachstum,
       die Zunahme der Massentierhaltung,
       der Wildtierhandel, die Klimaerwär-    © iStock.com/richcarey
       mung, die Globalisierung, die Zerstö-


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