Page 12 - Familienmagazin 2014
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Kolumne

    Gebt’s mir!

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Kinder sind etwas Wunderbares. Meine große Familie      Berti wünscht inzwischen lautstark Kekse. Mia
auch. Tante Meike und Onkel Heiner erst recht. Die      möchte keinesfalls wieder unter die Plane und
Hoffnungsträger unseres von überschaubaren Lebens-      müsste mal gewickelt werden. Die atmende
abschnittspartnerschaften, Exen und Patches jeglicher   Schaufensterpuppe lächelt leicht angewidert.
Couleur gebeutelten Klans feiern Goldene Hochzeit.      Ich beginne zu transpirieren … weiter geht’s!
Sie mögen sich tatsächlich noch. – Unfassbar! Grandi-   Nach einigem Geschiebe durch einige superenge
os! Für Menschen wie mich, an deren Beziehungskisten    Boutiquen-Gänge und eine beratungsfreie Ramsch-
der liebe Gott persönlich ein maximales Haltbarkeits-   Shopping Mall erstehe ich in einem Kaufhaus am
datum von sieben Jahren getackert hat, ein zwi-         anderen Ende der City – mit Kinderabteilung, hurraaa!
schenmenschliches Rätsel, vor dem ich mich ehr- und     – ein zauberhaftes Kleidchen für Mia. Und auch meine
– zugegeben – auch ein wenig furchtsvoll verneige.      neue Bluse plus Dessous kann hier anprobiert werden,
Klar also, dass wir da mitfeiern, die Mia (1 1/2), der  während eine freundliche Bedienung Mias neues Gum-
Berti (3) und ich. – Und: Nein! Dass der Erzeuger der   miauto bestaunt und Bertis Laugengebäck-Patscher
beiden Süßen mit seiner neuen Perle uns zu diesem       souverän von den Glitzer-BHs fernhält. – Geht doch!
Fest begleitet, steht nicht zur Diskussion. Geht’s      Eine Stunde später habe ich selbst freundlich lächelnd
noch?… – Kommen wir zur festlichen Kleiderfrage:        einen Kinder hassenden Verkäufer im Billig-Shop
Zu Mia und Berti befördere ich Kekse, Obst-Box,         und eine unfreiwillige Kaffee-Dusche to go überlebt
Ersatzwindel und Trinkflaschen in den Doppelkinder-     und suche etwas Stärkung in einem rappelvollen
wagen, bedecke die Fracht mit einer luftdurchlässi-     Café, kann dort jedoch leider keine Bestellung auf-
gen Plane gegen den Oldenburger Nieselregen und         geben oder nach dem Wickelplatz fragen, weil der
hülle meinen Fünf-Kilo-zu-viel-Mutter-Astralkörper      Tumult aus Stimmen und unfreiwilliger Musikbe-
in ein Allwettergewand mit der bekannten Tatze          schallung jede Konversation unmöglich macht. Also
in Brusthöhe. Es ist 10 Uhr morgens in Bürgerfel-       Kinderwagen-Abdeckplane unter Protest der Kurzen
de. Die Frisur steht. Oldenburg City, wir kommen!       wieder rauf … Den überfälligen Windelwechsel erle-
Im Eingangsbereich des ersten Kaufhauses in der         dige ich in einem bekannten Fast-Food-Restaurant
Fußgängerzone, das zu meiner Kinderzeit immer           auf einem Quadratmeter, während eine freundli-
unser Familienkaufhaus war, schreite ich mit Ka-        che Omi draußen nach Berti schaut. — Danke!!!
puzen-wirrem Haar eine halbe Stunde lang durch          Und dann bekommt mein Sohn dank des großartigen
ein Marken-Wunderland. Alles sehr schick hier.          Schuh-Ladens mit dem Lolly tatsächlich noch neue
Klamotten-Disney für Große. Hosen, Pullis, Kleider,     Treter.
Röcke … auf zig Marken verteilt. Ich will aber keine    Mit denen stapft er nun von der Innenstadt in Rich-
bestimmte Marke, ich will einfach Klamotten, die gut    tung Bürgerfelde. Es dämmert. Mia schläft. Der
sitzen! Wo soll ich anfangen zu suchen? Schließlich     Regen prasselt gemütlich auf die Plastikplane und
kann eine Verkäuferin, die ich versehentlich zunächst   wehmütig resümiere ich, dass die Ära der freundli-
für eine Schaufensterpuppe gehalten habe, nicht         chen Familienkaufhäuser in Oldenburg sich offenbar
länger an uns vorbeischauen. Doch zwei Griffe ins       dem Ende nähert. – Wie gut für die Seele, dass es
Regal und ein Blick auf die Preisschilder später ist    hin und wieder noch zwischenmenschliche Trutz-
klar: Keine Ahnung, wer hier erwünscht ist, meine       burgen wie Tante Meike und Onkel Heiner gibt.
Wenigkeit ist es jedenfalls nicht. Außerdem gibt es
hier auch keine Kinderabteilung mehr. Ach so ...        Gruß und Küsse, eure Tina

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